Recycling und Re-Use in der Architektur
Der respektvolle Umgang mit Ressourcen und das Wiederverwenden von Bestehendem prägen zukünftige Projekte. Erst recht in der Architektur. Unser Projekt Faraday möchte hier einen exemplarischen Beitrag leisten.
Ausgangslage
Die Primeo Energie (vormals Elektra Birseck Münchenstein) feierte 1997 ihr hundertjähriges Bestehen. Damals wandelte der Baselbieter Energieversorger am Hauptsitz in Münchenstein seine ehemalige Zählerwerkstatt von 1932 in ein Elektrizitätsmuseum um. Seither besuchen jährlich rund 10 000 Personen, darunter vor allem Lehrkräfte mit ihren Schulklassen, die schweizweit einzigartige Ausstellung und Elektrowerkstatt «Lernwelt Energie».
Zum 125-Jahr-Jubiläum 2022 wird das bestehende Elektrizitätsmuseum samt Ausstellung renoviert und mit einem Neubau ergänzt Im Herbst 2022 wird das neue Science- und Erlebniscenter «Primeo Energie Kosmos» eröffnet..
Auftrag
2019 wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, aus dem das Team der Rapp Architekten siegreich hervorging. Der Nordteil des Areals wird von Solitären geprägt. Der Neubau, wie wir ihn vorschlagen, wird – ebenfalls als Solitär – präzise in den Bestand eingefügt. Mit dieser Setzung spannt er einen einladenden Zwischenraum zur bisherigen Zählerwerkstatt auf und lässt den Birs-Naturraum in das Areal einfliessen. Aufbauend auf der geometrischen Grundform von vier Quadraten und umhüllt von einer raumhaltigen, bewachsenen Gitterstruktur bildet er ein völlig anderes und doch gleichwertiges Gegenüber zur ehemaligen, ebenfalls modular aufgebauten Zählerwerkstatt. In seiner Ausgestaltung wird das Wissens- und Experimentierhaus selbst Teil des Naturraums und lässt eine vielseitige Nutzung zu.
Der Neubau steht energetisch und ökologisch für eine innovative und zukunftsgerichtete Bauweise. Das Gebäude ist im Grundsatz natürlich und manuell über die Fenster be- und entlüftet. Die Energieanforderungen für Minergie-P-Eco werden ohne aufwendige Komfortlüftungsanlage eingehalten. Die mehrschichtige Hülle bewahrt einerseits den Holzbau vor intensiver Sonnenstrahlung (schützender Gedanke des Faraday’schen Käfigs) und dient andererseits als aussichtsreiche Aussennutzfläche, Senkrechtaufzug, Fluchtweg und Experimentierort.
Im zweigeschossigen Luftraum ragt eine Spindeltreppe aus Stahl empor. Im Sinne der zirkulären Bauwirtschaft verwenden wir im Neubau möglichst viele Baumaterialien und Bauteile wieder. So konnten wir für die Fassade des Holzbaus auf Restabschnitte einer anderen Baustelle zurückgreifen. Da das Material als «Abfall» eingestuft wurde, war es zudem günstiger.
Auch im Innenausbau werden alte Bauteile wiederverwendet. Diese kommen aus der Bauteilbörse oder ehemaligen Industriegebäuden oder, sowie die Hälfte der Holzdielen in den Obergeschossen, aus einem 100-jährigen Bootshaus. Alle Nasszellen sind fast ausschliesslich mit ausrangierten Elementen wie Waschbecken, Trennwänden oder Armaturen eingerichtet. Die gefliesten Oberflächen stammen aus Restposten bzw. aus aussortierten Produktionen. Schliesslich basiert das gesamte Beleuchtungskonzept auf Leuchten aus Abrissobjekten. Dafür mussten die Leuchten teilweise repariert und mit modernen LED-Leuchtmitteln bestückt werden. Für das Rankgerüst der Pflanzen und für Teile der Absturzsicherung in der Konstruktion des faradayschen Käfigs setzten wir alte Hochspannungsmasten von Swissgrid ein. Sie dienen auch als Sonnenschutz (Brise Soleil) für die Gänge, die sich um den Holzbau legen.

Blick vom EG in den Galerie-Bereich
Die sanfte Sanierung des Elektrizitätsmuseums, das sich in der ehemaligen Zählerwerkstatt – einem Gebäude aus dem Jahre 1932 – befindet, ist bereits abgeschlossen. Im sanierten und an die neuen Anforderungen angepassten Innenraum konnte eine neue Multimedia-Ausstellung installiert werden. Der Ausstellungsraum wurde dabei zu einer Blackbox umgestaltet. Von aussen sind kaum Veränderungen am Gebäude erkennbar.
Unabhängig vom Architektur-Wettbewerb für die Erweiterung und Renovation der Lernwelt haben wir ein innovatives Mobilitätskonzept für das gesamte Areal in Münchenstein entwickelt. Als langjähriger Berater erstellen wir für Primeo Energie zudem regelmässig Umweltverträglichkeitsberichte für diverse Standorte.

Eichenboden aus dem alten Bootshaus, Gut gelagertes Holz, sorgfältig aus- und wieder eingebaut. Geländer aus alten Strommasten, Beleuchtung Re-Use.

Saniertes Treppenhaus mit neuem Aufzug, brandschutztechnisch ertüchtigt. Beleuchtung aus einem Bürogebäude in Basel, passend zum Stil der 30er-Jahre.

Toilette mit Trennwänden aus 100-jährigen Türen. Wand- und Bodenplatten aus Restbeständen anderen Baustellen. Beleuchtung und Geräte Re-Use