Weniger «Taxidienst» an Schulen
Verkehrschaos an Schulen ist kein neues Phänomen. Auch im «Bildungsquartier Vogelsang» in Saarlouis prägt der Bring- und Holverkehr das Bild. Ein innovatives Schulwegkonzept soll nun Abhilfe schaffen, sichere Schulwege aufzeigen und gleichzeitig Umwelt, Lebensqualität und Mobilität nachhaltig vereinen.
Es ist ein vertrautes Bild: der Bring- und Holverkehr an Schulen und Kitas. Auch im «Bildungsquartier Vogelsang» in der Kreisstadt Saarlouis (D), das eine Schule mit Regel- und Ganztagsbetrieb sowie zwei Kindergärten und Kindertagesstätten in unmittelbarer Nachbarschaft vereint, zeigt sich das bekannte Phänomen: Zu den Stoßzeiten morgens und nachmittags dominieren Autos das Geschehen, wenn Eltern ihre Kinder zur Vogelsangschule bzw. zu den Kindertagesstätten Metzer Wiesen und Evangelische Kindertagesstätte Innenstadt bringen oder abholen. Die Ortsbegehungen bestätigten, was vielerorts zu beobachten ist: ein hohes Kfz-Verkehrsaufkommen verbunden mit ungeordnetem Parken und Behinderungen des Fuß- und Radverkehr sowie des öffentlichen Personennahverkehrs. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Kindern in den Krippen, die von ihren Eltern vereinzelt zu Fuß, mehrheitlich aber mit dem Auto gebracht und abgeholt wurden. «In der Regel wird der Taxidienst genutzt», sagt Therese Lüthi, Fachverantwortliche Verkehrsplanung Süddeutschland bei der Rapp AG.
Neue Ansätze für nachhaltige Mobilität
Die Belastung ist groß, die Zustände oft chaotisch, der Stress für alle hoch, die Herausforderung komplex: Angesichts des wachsenden Verkehrs im Einzugsbereich und der ländlichen Strukturen im Umfeld der Kreisstadt, stellt sich für Saarlouis die Frage, wie dieser Verkehr effizienter gestaltet werden kann. Sie hat sich daher entschlossen, im Rahmen eines Beteiligungs- und Entwicklungsprozesses ein innovatives, bedarfsgerechtes und modellhaftes Schulwegkonzept für das «Bildungsquartier Vogelsang» zu entwickeln. Das Projekt wird vom Land nach den Richtlinien für nachhaltige Mobilität gefördert.
Drei Säulen für einen sicheren Schulverkehr
Das von Rapp gemeinsam mit dem Planungsbüro Axel Thös PLANUNG aus Saarbrücken entwickelte Schulwegkonzept konzentriert sich auf drei zentrale Ansätze. «Im Vordergrund steht die Entwicklung von Maßnahmen zur Stärkung des Umweltverbunds, zur Schaffung sicherer Wege für Kinder und Eltern und gleichzeitig zur Sicherstellung einer verträglichen Abwicklung von Bring- und Holverkehren», betont die Expertin in Fragen der Verkehrsplanung.
Die Sicherheit unserer Kinder auf dem Schulweg hat für uns höchste Priorität. Mit dem Schulwegkonzept für das «Bildungsquartier Vogelsang» schaffen wir eine sichere und kinderfreundliche Umgebung vor der Schule und den Kitas. Gleichzeitig entwickeln wir damit eine Blaupause, die auch an anderen Schulstandorten in Saarlouis entwickelt werden kann. Gemeinsam mit Eltern, Schulen, Anwohnern und Fachleuten setzen wir nun Maßnahmen um, die den Schulweg sicherer und attraktiver machen. So sorgen wir für eine nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität und stärken damit auch die Familienfreundlichkeit der Europastadt Saarlouis.
Beteiligung aller Akteure
Den Verantwortlichen war die Beteiligung aller relevanten Akteuren ein wichtiges Anliegen. «Während des gesamten Prozesses fanden zwei öffentliche Workshops, drei Arbeitsgruppensitzungen, eine Schulwegebegehung mit der Arbeitsgruppe sowie eine einmonatige Online-Befragung der Kinder bzw. Eltern sowie der Lehrerschaft und Erzieher:innen statt», erklärt Reiner Körner vom Amt für Tiefbau und Vermessung der Kreisstadt. «Auf dieser Basis und einer umfassenden Auswertung wurden zahlreiche Mängel im Umfeld der Bildungseinrichtungen sowie entlang der Schulwege identifiziert und gleichzeitig abgestimmte Lösungen zur Verbesserung der Situation gefunden.» Als besonders zentral werden das Mobilitätsmanagement, die Bring- und Holverkehre sowie die Geschwindigkeiten und die Verkehrsführung im Umfeld des «Bildungsquartiers Vogelsang» gesehen.

Am 19. März 2024 wurden Defizite und Schwachstellen aus Sicht der Betroffenen und Akteure erfasst und mögliche Lösungsansätze diskutiert.
Impressionen bei den Begehungen vor Ort
Für mehr Sicherheit und weniger Stress
Für den Nahbereich der Bildungseinrichtungen wurden basierend auf dem entwickelten Maßnahmenfächer die für die vorliegende Fragestellung am zielführendsten Maßnahmen identifiziert und kombiniert. «Die Schulwegkonzeption umfasst knapp 50 Maßnahmen für den Nahbereich sowie zahlreiche begleitende Maßnahmen», erläutert Therese Lüthi. Mit weiteren 25 Maßnahmen entlang der Wege zur Schule und zu den Kitas liefert das Schulwegkonzept innovative und vielfach auch recht kurzfristig umsetzbare Lösungen für die Schaffung eines sicheren Schul- und Kitaverkehrs. Ziel war, ein gesamthaft abgestimmtes Maßnahmenkonzept anzufertigen, mit dem möglichst alle Bedürfnisse und Belange der verschiedenen Nutzergruppen berücksichtigt werden. «Entsprechend setzt die Konzeption eine gewisse Kompromissbereitschaft voraus», räumt Therese Lüthi ein. Um den betroffenen Personen die Möglichkeit zu geben, verbleibende Bedenken zu beseitigen und die Akzeptanz der vorgeschlagenen Maßnahmen zu stärken, wird ein Feldversuch vorgeschlagen.
Ein sicheres Schulumfeld ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Das Schulwegkonzept zeigt auf, wo Verbesserungen nötig sind und hilft, einerseits mit zahlreichen Sofortmaßnahmen die Verkehrssicherheit der besonders schutzbedürftigen Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen, andererseits langfristig eine verkehrssichere, nachhaltige und kinderfreundliche Infrastruktur aufzubauen.
Maßnahmenfächer für das Schulwegkonzept

Plan sichere Wege zur Schule bzw. Kita

In den Plänen mit sicheren Wegen zur Schule bzw. Kita werden die Gefahrenstellen hervorgehoben, sofern sie nicht im Sinne einer Sofortmaßnahme behoben werden können.
Facts & Figures
50 Vorgeschlagene Maßnahmen im Nahbereich
25 Vorgeschlagene Maßnahmen entlang der Schulwege
300 Schülerinnen und Schüler besuchen das Vogelsangschulhaus
230 Kinder werden in den Kindertagesstätten und Kinderkrippen betreut
100 «Eltern-Taxis» bei der Abholung um 16 Uhr
105 von den 300 Schülern kommen von außerhalb des Schulbezirks
Weitere Informationen zum Schulwegkonzept
