Ein Leben für die Verkehrsplanung
Martin Ruesch hat sein Studium, seine Forschungstätigkeit und sein Berufsleben den Themen Verkehr, Mobilität und Raumplanung gewidmet. Die Herausforderungen waren schon damals gross. Sie sind es bis heute geblieben. Nun tritt er von der Verkehrs- und Planungsbühne ab. Im Gespräch blickt der engagierte Planer auf viele bewegende Momente, auch bei Rapp, zurück.
Martin – darf man das so sagen – du bist ein Meister und Experte auf dem Gebiet der Verkehrsplanung und insbesondere des Güterverkehrs. Woher kommt deine Begeisterung für diese Themen?
Die Themen Verkehr, Mobilität und auch Raumplanung haben mich schon während meines Bauingenieurstudiums an der ETH Zürich fasziniert. Das Zusammenspiel von Raumnutzung, Verkehr und Umweltauswirkungen bot und bietet spannende Fragestellungen. Deshalb habe ich auch die Vertiefungsrichtung Raumplanung und Verkehr gewählt und meine Masterarbeit über die Verkehrsplanung in der Region Toggenburg am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme erfolgreich abgeschlossen.
Dann war dein Weg also schon früh vorgezeichnet?
Eigentlich schon. Mir war schon während des Studiums klar, dass ich in der Verkehrsplanung und -beratung arbeiten wollte, am liebsten in einem Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmen und weniger in der Verwaltung. Ich wollte mehr gestalten als verwalten.
Was ist denn das Besondere an Raumplanung, Mobilität und Verkehr?
Als ich angefangen habe, gab es schon viele Herausforderungen. Bevölkerungswachstum, wirtschaftlicher Aufschwung, immer mehr Zersiedelung, mehr Verkehr und die negativen Folgen für die Umwelt – all das war schon damals ein Thema und ist es auch heute noch. Gute und auch umsetzbare Lösungen zu finden, ist also nach wie vor zentral. Und dann kam noch die Klimadiskussion dazu. Die Herausforderungen sind nicht kleiner geworden – im Gegenteil.

Martin Ruesch (62) ist diplomierter Bauingenieur ETH/SIA/SVI mit Vertiefung in Raumplanung und Verkehr. Seit über 30 Jahren ist er bei Rapp in Zürich tätig, davon viele Jahre als Abteilungs- und Standortleiter. Zuvor war er bei der Basler & Hofmann AG tätig. Als langjähriges Mitglied der Geschäftsleitung hat er die Entwicklung von Rapp (damals Rapp Trans AG) bis 2022 massgeblich geprägt. Nach seinem Rücktritt aus der Geschäftsleitung im Jahr 2022 konzentrierte er sich auf die Leitung des Geschäftsbereichs Güterverkehr. Seine Fachgebiete umfassen Güterverkehr und Transportmanagement, ÖV-Beratung sowie Verkehrs- und Mobilitätsplanung. |
Und das Interesse für den Güterverkehr?
Mein Interesse für den Güterverkehr kam einige Jahre nach meinem Einstieg in die Verkehrsplanung. Mein erstes Projekt in diesem Bereich war «Basel City Logistik» – das lief etwa von 1993 bis 1995 im Rahmen von DIANE 6 beim Bundesamt für Energie. Da war ich schon bei Rapp. Warum mich das Thema so gepackt hat? Weil ohne funktionierende Logistik nichts läuft – aber gleichzeitig braucht es kluge Konzepte, damit Umwelt, Lärm und Emissionen nicht auf der Strecke bleiben.
Im September 1993 bist du zu Rapp Trans Zürich gestossen! Welchen Erinnerungen hast du an deinen ersten Arbeitstag?
An den ersten Tag kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern – das Alter lässt grüssen (lacht)! Was mir aber im Gedächtnis geblieben ist, ist die Anfangszeit im Büro an der Oerlikonerstrasse 38 in Zürich. Wir waren zu dritt, und es ging gleich mit spannenden Projekten los: Mit Peter Rapp sen. planten wir den Tarifverbund Oberengadin und machten Ertragsberechnungen für verschiedene Tarif- und Perimetervarianten für den Tarifverbund Davos, mit Beni Strub habe ich an der «Basel City Logistik» gearbeitet. Dazu kamen Umweltverträglichkeitsberichte für den Eisenbahntunnel Zürich-Thalwil und für die Linien 10/11 der BLT sowie Angebotsplanungen und Finanzierungsmodelle für den öffentlichen Verkehr im Oberengadin. Das Oberengadin ist übrigens seit über 30 Jahren ein guter und wichtiger Kunde für Beratungen im öffentlichen Verkehr.
Impressionen
Was waren dann später deine Schlüsselprojekte?
In den 90er Jahren drehte sich bei mir vieles um Standortevaluierungen und Machbarkeitsstudien für KV-Terminals und Speditionshöfe – auch international mit Standortplanungen in Österreich und Deutschland. Dazu kamen spannende Projekte in der Abfalllogistik und im Schienengüterverkehr, teilweise mit selbst entwickelten Methoden. Das Thema Planungsmethodik hat mich besonders gepackt – es hat mich nie ganz losgelassen. Später kamen andere Themen hinzu, die mich über viele Jahre begleitet haben. Darf ich etwas weiter ausholen?
Bitte!
Seit den 2000er Jahren habe ich an verschiedenen nationalen und internationalen Forschungsprojekten zum intermodalen und städtischen Güterverkehr teilgenommen. Hinzu kamen Evaluationen von staatlichen Förderprogrammen im Bereich des Kombinierten Verkehrs und des Schienengüterverkehrs. Zwischen 2010 und 2020 drehte sich vieles um Verlagerungsanalysen, Studien zu Cargo Sous Terrain, die Entwicklung des Transeuropäischen Netzes – Transportkorridor Rotterdam-Genua, CO₂-Bilanzen und Zukunftsvisionen für den Güterverkehr 2050.
Da ist einiges zusammengekommen! Womit hast du dich in letzter Zeit hauptsächlich beschäftigt?
In den letzten Jahren habe ich mich vor allem mit Güterverkehrskonzepten und -strategien für Kantone und Städte beschäftigt – inklusive Zielbilder für den Schienengüterverkehr. Dazu kamen City-Logistik-Projekte, City Cargo Hubs und Strategien zur Sicherung von Logistikflächen. Wichtig war neben der inhaltlichen Arbeit auch der Planungsprozess mit dem Einbezug von Wirtschaft und Verwaltung – oft über Workshops oder Sounding Boards. Zunehmend war ich auch in der Bauherrenunterstützung tätig, beispielsweise für kantonale Güterverkehrskoordinationsstellen.
Neben Planungs- und Beratungsprojekten warst Du auch an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt. Erzähl doch mal!
Auch im Bereich Verkehr und Logistik spielt Forschung eine wichtige Rolle – sie hilft, offene Fragen fundiert zu klären und die Planungsgrundlagen laufend zu verbessern. Im Alltag von Planungs- und Beratungsprojekten fehlen jedoch oft Zeit und Budget, um bestimmten Fragestellungen wirklich auf den Grund zu gehen oder neue Erkenntnisse zu erarbeiten. Forschung war für mich daher immer eine sinnvolle und bereichernde Ergänzung zur praktischen Arbeit. Dabei hat mich besonders die anwendungsorientierte Forschung interessiert – also Projekte, deren Ergebnisse direkt in der Praxis genutzt und in Planungs- oder Beratungsprozesse integriert werden können. Publikationen und die Teilnahme an Konferenzen gehören zwingend zur Forschung dazu. Wenn man Forschungsgesuche einreicht, ist es wichtig nachzuweisen, dass man mit den Forschungsthemen vertraut ist und auch entsprechende Publikationen und Vorträge vorweisen kann.
Nach fast 33 Jahren schliesst sich für dich im Mai 2025 der Kreis bei Rapp. Was nimmst du aus all den Jahren mit?
Ich blicke mit grosser Dankbarkeit auf meine Zeit bei Rapp zurück. Ich durfte unglaublich viel lernen, weitergeben und gemeinsam mit grossartigen Kolleginnen und Kollegen Projekte gestalten, die wirklich etwas bewegt haben. Der Freiraum für eigene Ideen, das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, und die Chance, neue Themen mitzugestalten – all das hat meine Arbeit und mein Leben sehr erfüllt. Besonders bewegt hat mich das Miteinander: der Teamgeist, die Offenheit, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe – intern, mit unseren Kundinnen und Kunden und Partnerunternehmen. Dass ich auch strategisch mitgestalten durfte, war für mich ein echtes Privileg. Und ja – ein Teil von mir geht mit einem lachenden, ein Teil mit einem weinenden Auge.
Worauf freust du dich in deinem neuen Lebensabschnitt?
Ich freue mich sehr auf das neue Zeitbudget – endlich mehr Raum für eine bewusstere Work-Life-Balance und gemeinsame Zeit mit meiner Frau. Mit ihr bin ich übrigens noch länger zusammen als mit Rapp – über 40 Jahre (lacht!). Geplant sind: mehr Sport, Wandern (unser gemeinsames Hobby), Lesen und endlich Italienisch lernen. Kein Zufall – unser Zweitwohnsitz im Tessin ruft! Auch längere Reisen stehen auf der Liste, gerne mit dem Zug auf besonderen Strecken mit nostalgischem Flair. Langweilig wird es bestimmt nicht – es gibt noch viel zu entdecken, in der Welt und auch in der Schweiz.
Martin Ruesch ist Präsident der Normungs- und Forschungskommission «Güterverkehr» bei der Vereinigung Schweizerischer Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) und Mitglied der Schweizerischen Vereinigung der Mobilitäts- und Verkehrsfachleute (SVI) (2004-2016 Mitglied der Forschungskommission). Von 2005 bis 2023 delegierte ihn das Bundesamt für Strassen in den Technischen Ausschuss Güterverkehr des Weltstrassenverbandes PIARC. Im Jahr 2016 wurde er zum Präsidenten gewählt und übte dieses Amt bis Ende 2023 aus. Von 2012 bis 2023 hielt er regelmässig Gastvorlesungen zum Thema Güterverkehr und Logistik an der ETH Zürich, der ZHAW Zürich und der Berner Fachhochschule. In dieser Zeit hat er sich national und international als geschätzter Güterverkehrsexperte etabliert. Sein breites Netzwerk, sein vielfältiges Fachwissen, seine Kompetenz im Umgang mit Kunden sowie seine Erfahrung in nationalen und internationalen Forschungsprojekten waren für Rapp von grossem Nutzen und Bedeutung. Seinen Erfahrungsschatz gab er an Studierende der ETH und der Fachhochschulen weiter. Sein Herzblut, seine Energie und seine Begeisterung für neue Projekte und Themen haben sich über die Jahre nicht verändert. Privat sucht er den Ausgleich mit Sport, Wandern, Lesen sowie Aufenthalten in Tessin und Reisen. |