Tradition trifft auf Handwerk
Die Zwiebelzöpfe sind ein echter Blickfang. Die Herstellung ist eine Kombination aus traditionellem Handwerk und praktischer Lagertechnik. Viel Geschick ist gefragt. Mit der richtigen Vorbereitung und Technik lassen sich wunderschöne und langlebige Zöpfe flechten. So wie die vom Eggehof von Philipp Laubscher.
Walperswil liegt auf einem Moränenhügel zwischen Täuffelen und Aarberg, rund 500 Meter über dem Meeresspiegel. An diesem Donnerstagmorgen Mitte Oktober hüllt dichter Nebel das Berner Seeland ein und schränkt die Sicht ein – für die Einheimischen ein vertrautes Herbstphänomen. Der aufgeräumten Stimmung auf dem Eggehof von Philipp Laubscher tut das Nebelwetter jedoch keinen Abbruch. Hier widmet sich das Team an diesem Morgen der traditionellen Kunst des Zwiebelzopf-Flechtens, oder wie die Seeländer sagen: «Zibeletrütsche».
Arbeitsteilung klar geregelt
Es herrscht emsiges Treiben im Hinterhof des Bauernhauses. Die Vorbereitungen für den traditionellen Zwiebelmarkt in Bern, den «Zibelemärit», laufen auf Hochtouren. Die Aufgaben sind an diesem Morgen klar verteilt: Philipp Laubscher und seine Mutter Barbara flechten die Zwiebelzöpfe, während Karin, Susanne, Käthi und Grossvater Peter im angrenzenden Schopf die Zwiebeln vorbereiten. Marlène kümmert sich um das letzte Detail. «Die Strohröschen -Sträusschen und Statitzen vom eigenen Hof eignen sich sehr gut dafür», betont Marlène, die mit geübter Hand Zopf um Zopf mit den Trockenblumen schmückt. Es gebe jedem Zopf eine persönliche Note, sagt die langjährige Helferin. Ob sie ihre Zwiebelzöpfe auf dem «Zibelemärit» wieder erkennen würde? «Selbstverständlich!»
Schritt für Schritt
Das Flechten eines Zwiebelzopfs ist eine Kunst für sich und erfordert viel Übung. Die gepflasterten Hände von Barbara und Philipp fallen ins Auge. «Zum Schutz», betont Philipp, um schmerzhafte Schnittwunden zu vermeiden. Ein Stiel aus Chinaschilf in der einen, und die Schnur in der anderen Hand und los geht’s. Schritt für Schritt kommt eine weitere Zwiebel hinzu. Dabei werden die neuen Zwiebeln immer seitlich eingeflochten, so dass der Zopf gleichmässig an Grösse und Länge gewinnt. «Man muss genau arbeiten, die Zöpfe satt anziehen, sonst wird das nichts», meint der ausgebildete Landwirt, der rund 20 Hektaren seines Hofes landwirtschaftlich nutzt und neben Zwiebeln allerlei Ackerkulturen und verschiedene Obstsorten anbaut.
Von der Ernte zur Kunst
Die alte Technik des Zwiebelzopf-Flechtens stammt wahrscheinlich aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Ein genaues Datum lässt sich nicht ausmachen. Philipp Laubscher vermutet, dass die Marktfahrer damals begannen, ihre überschüssigen Zwiebeln zu dekorativen Kränzen zu verarbeiten - ein kunstvolles Erbe, das auf dem Eggehof bis heute weitergeführt wird. Überschüssige Zwiebeln gibt es heute auf dem Eggehof nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Mitte März sät Philipp Laubscher die roten Savoyer und weissen Hiesiger auf seinem Hof aus, um sie Ende Juli zu ernten. «Sie eignen sich besonders gut, weil sie flacher sind als die bekannten runden Zwiebeln», sagt Philipp Laubscher. «Für einen stabilen und haltbaren Zwiebelzopf ist es wichtig, dass die Zwiebeln reif und trocken sind», ergänzt Barbara. Neben dem optischen Effekt haben Zwiebelzöpfe auch praktische Vorteile. «Der Zopf sorgt für eine gute Belüftung, so dass die Zwiebeln nicht faulen», erklärt die Bäuerin. Eine bewährte Methode, um die Zwiebeln über den Winter zu bringen.
Alles wird verwertet
Die Grundlage für einen schönen und haltbaren Zwiebelzopf beginnt schon bei der Ernte. «Beide Sorten haben einen langen Stiel und eine feste Schale», sagt die Mutter. Die Zwiebeln werden geerntet, sobald das Laub verwelkt und die Schale vollständig ausgebildet ist. Die Zwiebeln sollten vor der Weiterverarbeitung einige Tage an einem trockenen, luftigen Ort nachgetrocknet werden, um Schimmelbildung zu verhindern. Bevor mit dem Flechten begonnen wird, werden die Wurzeln vorsichtig mit einem Messer abgeschnitten. «Nur so sieht der Zopf dann sauber und ordentlich aus», sagt Peter, der Grossvater von Philipp und ergänzt, dass auch das Laub nicht vollständig entfernt werden sollte, da die Stängel für das Flechten benötigt werden. «Ein 20 bis 30 Zentimeter langer Stiel ist ideal.»
Alles aus eigenem Haus
Doch wo auch immer das Zwiebelflechten ihren Ursprung hat, der vierte Montag im November ist nicht nur den Bernerinnen und Berner heilig. Der «Zibelemärit» ist ein Volksfest, das Menschen aus der ganzen Schweiz und darüber hinaus anzieht. Ein einzigartiges Ereignis in der Vorweihnachtszeit. Im Familienbetrieb kommt alles vom eigenen Hof. Darauf ist Philipp Laubscher besonders stolz. «Bis auf das Chinaschilf», korrigiert er sich. Das bezieht er von einem benachbarten Bauern. Auch der Verkauf ist im Hause Laubscher Familiensache. Mit seinem Team und einem Stand verkauft er die eigenen Zwiebelzöpfe am «Zibelemärit» direkt an die Besucherinnen und Besucher. Wie diese ihren Weg nach Bern finden, das erfordere eine gewisse Vorbereitung, wie er schmunzelnd verrät. Was es damit auf sich hat, will er zunächst nicht preisgeben. Doch dann erzählt er die Geschichte.
Fahrt nach Bern
Und die geht folgendermassen: Zwei Helfer fahren am Sonntag mit ihren Privatfahrzeugen vor, reservieren in der Parkzone für die Markttreibenden zwei Parkplätze so, dass ein dritter keinen Platz mehr hat. Philipp Laubscher fährt dann am Montag in aller Herrgottsfrüh mit seinem Traktor und dem Anhänger mit den Zwiebelzöpfen nach und übernimmt den Platz. «Um Mitternacht sind wir startbereit, damit wir rechtzeitig auf dem Bundesplatz in Bern ankommen.» Er erspare sich damit unnötige Hektik. Und die ist garantiert, wenn um sechs in der Früh der «Zibelemärit» beginnt und wenn alle Markttreibenden gleichzeitig, und in aller Regel knapp in der Zeit, mit ihren Fahrzeugen eintreffen. Die «Zibeletrütsche» vom Eggehof sind sehr beliebt. Meistens hat Philipp Laubscher um die Mittagszeit keine Zöpfe mehr zu verkaufen. Er rät der Kundschaft deshalb, früh am Stand vorbeizukommen. Und um sich und seinen Helferinnen und Helfern nicht unnötig die Beine in den Bauch zu stehen, findet er auch einen Weg, früher als es die Marktordnung verlangt, den Markt wieder zu verlassen. Wie, das verrät die Frohnatur diesmal nicht.