Effizienz als Konstante – Stadt als Variable: wie sich die urbane Mobilität verändert
Die Verkehrsplanung der Schweizer Städte hat sich in den letzten 50 Jahren stark gewandelt. Die autogerechte Stadt steht nicht mehr in ihrem Fokus. Trotz dieses Wandels gilt nach wie vor die Effizienz-Prämisse: Mit möglichst geringem Aufwand soll das Optimum für die Mobilität erreicht werden. Wie kann es trotz gleichbleibender Prämisse zu so viel Veränderung gekommen sein?
Dafür gibt es zwei Gründe:
- Mehrdimensionalität des Effizienzbegriffs: Ein Fahrzeug kann beispielsweise energieeffizient sein, aber je nach räumlichem Kontext nicht flächeneffizient. In einem grosszügigen räumlichen Kontext könnte dasselbe Fahrzeug das zeiteffizienteste sein, während die Flächeneffizienz irrelevant ist.
- Veränderte planungsrelevante Rahmenbedingungen führen dazu, dass unterschiedliche Arten der Effizienz mehr oder weniger Gewicht erhalten.
Auf die Veränderungen und den dadurch neu gewichteten Effizienzdimensionen wird nachfolgend eingegangen.
Der Kampf um die Freiflächen und das Aufkommen von «sozialer Effizienz»
Im Zeitalter der verdichteten Bauweise, in welcher bewusst auch in die Höhe gebaut wird, aber proportional nicht mehr Strassenraum zur Verfügung steht, geraten flächenineffiziente Verkehrsarten und Nutzungen wie das Auto resp. das Parkieren unter Druck. Parallel dazu gewinnen der Fuss- und Veloverkehr an Bedeutung. Gleichzeitig überlagert sich die Verkehrsfläche längst mit weiteren Bedürfnissen, namentlich denjenigen nach Grün- und Begegnungsraum. Vor diesem Hintergrund erhält Effizienz immer mehr eine soziale und gesundheitliche Komponente. Weltweit erfolgreich erprobte Konzepte wie Begegnungszonen und Superblocks sind Antworten auf diese Überlagerung von Bedürfnissen im Stadtraum.

Die Quartierstrasse ist mittlerweile auch Aufenthalts- und Begegnungsort
Gemischt genutzte Quartiere
Gleichzeitig verändert sich die Stadtplanung in eine Richtung, die Wege von Anfang an möglichst kurz plant: Die Zeiten der funktionsgetrennten Stadt, in der Arbeiten, Wohnen, Einkaufen und Freizeit in unterschiedlichen Vierteln angeordnet wurden, sind vorbei. Stadtteile bieten gemischte Nutzungen, und die «Stadt der kurzen Wege» ist längst kein Fremdwort mehr. In solchen gemischt genutzten Quartieren wird Effizienz im Verkehr dadurch erreicht, dass das Zurücklegen von Wegen zu Fuss oder z.B. mit Velos oder Scooter sinnvoller ist. Verkehrsarten, die in der funktionsgetrennten Stadt zeitineffizient waren, werden mit der Stadt der kurzen Wege zeiteffizient.
Klimawandelbedingte Hitze in den Städten
In Städten wird der menschengemachte Klimawandel besonders dort spürbar, wo versiegelte Flächen dominieren. Die Nutzung des Raums zum Parkieren von Fahrzeugen (Autos und Velos) stellt somit eine verpasste Chance dar, einen notwendigen und vorteilhaften Beitrag zur Optimierung des Mikroklimas zu leisten. Auch die Umsetzung von nicht versiegelten Parkplätzen (z.B. mit Rasengittersteinen) ist kaum eine Lösung, um die Temperaturen zu senken, da vor allem abgestellte Autos durch Ihre Masse und Beschaffenheit einen grossen Hitzebeitrag leisten und stundenlang Wärme abstrahlen können. In diesem Kontext kann man auch von «ökologischer Effizienz» sprechen.
Resilienz im städtischen Verkehrssystem
In Zeiten zunehmender Unsicherheiten aufgrund des Klimawandels und der Energiekrisen wird auch die Resilienz – also die Selbsterhaltungs- und Widerstandskraft – des Verkehrssystems immer wichtiger. Ein Verkehrssystem, das (mehrheitlich) auf fossilen Energieträgern basiert oder auf wenige zentrale Verkehrsinfrastrukturen angewiesen ist, ist störanfällig. Ein Verkehrssystem hingegen, das (beinahe) autark und agil genutzt werden kann, widersteht solchen Störeinflüssen. Ein Velo kann auch gefahren werden, wenn der Benzinpreis doppelt so hoch ist, zu Fuss kann man auch gehen, wenn an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt ein Unfall passiert ist, und ein Lieferwagen wird auch weiterhin benötigt, um Sandsäcke im Falle von Überschwemmungen zu transportieren. Es gilt das Verkehrssystem, je nach Distanz und Zweck der Reise, so zu organisieren, dass das Prinzip des wesensgerechten Einsatzes der Verkehrsarten erfüllt ist.
Und wie wird Effizienz in Zukunft aussehen? Wiederholen wir mit den Velos den gleichen «Fehler» wie mit dem Auto?
Unter den beschriebenen veränderten Rahmenbedingungen ist letztlich eine deutliche Verlagerung hin zu flächen- und energieeffizienten Verkehrsmitteln erkennbar. Oft werden diese Flächen zwischen den Autos und Velos umverteilt. Zwar können auf einem Parkfeld für Autos zehnmal so viele Velos abgestellt werden, dennoch benötigen auch Velos Platz. Bietet es sich in diesem Kontext nicht an, die Umwandlung von Auto-Parkplätzen in Velo-Abstellplätzen zu hinterfragen? Zerbrechen wir uns bald erneut den Kopf darüber, wie nun die abgestellten Velos aus dem Strassenraum entfernt werden können? An dieser Stelle ist eine absolute Haltung wahrscheinlich nicht zielführend. Paradigmenwechsel passieren nicht von heute auf morgen, sondern schleichend. Deshalb braucht es parallel bestehend pionierhafte Ideen sowie Übergangslösungen. Nachhaltige Veränderungen lassen sich meist auch nur dann durchsetzen, wenn eine Betroffenheit besteht – und dafür muss eine solche überhaupt zuerst spürbar werden.

Auch Veloabstellplätze brauchen ihren Platz
Damit zeigt sich, dass es auf lange Sicht letztlich nicht genügt, ein Verkehrsmittel durch ein anderes zu ersetzen. Der Paradigmenwechsel der städtischen Verkehrsplanung ersetzt das Auto nicht durch das Velo sondern führt, geprägt von oben beschriebenen veränderten Rahmenbedingungen, vom Auto weg hin zum wesensgerechten Einsatz aller Verkehrsmittel.